Sonntag, 25. Juli 2010

Lichtwechsel

Von Ruth.

Ein.

Das Licht geht an, er steht auf. Geht ins Bad, putzt die Zähne, heute rasiert er sich wieder. Jeden 3. Tag. „Bartstoppeln stehen Ihnen, junger Mann“ sagte die Arzthelferin beim Zahnarzt.
Vielleicht stimmt das.

Fertig für den Tag, nun durch die Türe hinaus, die Treppe runter, die erste Treppe des Tages.
An der Haustür die Nachbarin, Frau …... wie heißt sie noch gleich? „Guten Morgen, unglaublich, ein Autounfall, vorne an der Ecke, wie das passieren konnte. Und gleich die Journalisten da, kurz nach dem Rettungswagen, vielleicht komme ich in die Zeitung, unglaublich, ein ganz normaler Morgen dachte ich und dann das, wirklich unglaublich.“
Ihr Name ist ihm wieder eingefallen. Oder besser: Der Name, der zu ihr passt. Frau Unglaublich. Er muss innerlich schmunzeln, verabschiedet sich, geht hinaus.

Auf dem Weg noch schnell zur Bäckerei, zum Glück noch rechtzeitig. Das Mädchen mit der Gitarre auf dem Rücken hat gerade bezahlt, sie kommt ihm entgegen, lächelt, nickt ihm zu. Er lächelt zurück, dies wird ein schöner Tag, ein Sonnentag.

Ralf wartet schon am Park, er steigt in den Transporter. „Moin Ralf, was gibt’s heute zu tun?“
Wie immer Wohnungen “der armen Ommis und Obbas, die ganz allein dahinsieche tun“, wie Ralf das so schön ausdrückt. Zum Glück keine Extremfallwohnung heute wie es scheint, keine die im Müll versinkt und die stinkt wie eine Müllhalde bei Sonnenschein. Schattenseite und Sonnenseite. Auch und gerade ein Sonnentag hat seine Schattenseiten. Er denkt wieder an das Gitarrenmädchen. Und hat die Mülldeponie schon vergessen.

Die erste Wohnung, Treppe rauf, 5. Stock und kein Aufzug, das wird anstrengend.
Oben die Tür öffnen lassen, vom Sohn des Verstorbenen. Aufräumen, sortieren, die Überbleibsel eines Lebens auswerten. Geschirr, Gemälde, eine Sammlung von Jagdmessern, wenige Bücher. Weit hinten im Wohnzimmerschrank ein Haufen Häkeldecken, sicher von seiner Frau, zuerst gestorben und ihm hatten sie noch nie gefallen? Er weiß es nicht, fragt Ralf auch nicht. Einfach weiter machen. Sack mit Gegenständen, die ihren letzten Weg zur Abfalltonne antreten. Treppe runter. Treppe rauf und wieder runter, immer wieder bis die Wohnung leer ist. Dann die nächste.

Schließlich Feierabend, er läuft nach Hause, mit fast 30 muss mann schließlich auf die Figur achten. Jochen kommt noch vorbei, Bier trinken auf dem Balkon, warme Sommerabendluft.
Endlich ins Bett, die müden Beine ausstrecken, die sich langsam abkühlende Luft, die durchs offene Fenster hereinweht, genießen.

Aus.
Ein.
Aus.
Und dann für immer.